Ausgangssituation

Durch die Nutzungsaufgabe der Streuobstbestände in den letzten Jahrzehnten ist die Vielfalt der traditionellen Obstsorten akut bedroht. Die Zahl der noch vorhandenen Altbäume reduziert sich stetig, teils durch Rodungen, teils durch Absterben aus Überalterung oder mangelnder Pflege, die zu Vitalitätsverlust und schließlich zum Absterben der Bäume führt. Nachgepflanzt wird wenig und meist ein aus wenigen Sorten bestehendes Standardsortiment, das von Flensburg bis Passau einheitlich ist. Es ist damit zu rechnen, dass die Obstsortenvielfalt in der Landschaft in den nächsten 10-30 Jahren bis auf wenige Reste verschwunden sein wird.
Foto: Dr. Annette Braun-Lüllemann Foto: Dr. Annette Braun-Lüllemann
Verschwunden ist die blühenden Pracht: Hier eine lange Baumreihe mit regionalen Kirsch-Raritäten unwiederbringlich gerodet.
Da der traditionelle Streuobstbau und die alten Obstsorten kaum noch wirtschaftliche Bedeutung haben, ist auch das staatliche Engagement zum Erhalt dieser Sorten begrenzt. Zwar wurde in den letzten Jahren für einige Obstarten eine Deutsche Genbank Obst als konservierende Einrichtung ins Leben gerufen, die Zahl der Reisermuttergärten sowie der Obstinstitute, die Forschung betreiben und eigene Lebendsammlungen betreuen, verringert sich jedoch von Jahr zu Jahr.
Ein generelles Problem bei der Nachpflanzung alter Obstsorten ist die Verfügbarkeit, da in den Reisermuttergärten und Baumschulen (abgesehen von wenigen spezialisierten Baumschulen und dem RMG Bonn) i. d. R. nur ein relativ kleines Sortiment alter Obstsorten angeboten wird, das bei den meisten Baumschulen zudem identisch ist.
 
Auch ist die Sortenechtheit oft nicht gewährleistet, was bei der Pflanzung von Hochstämmen erst nach Jahren auffällt, weil diese erst spät in den Ertrag kommen. Ein immer wiederkehrendes Dilemma, wenn man acht oder gar zehn Jahre auf die ersten Früchte gewartet hat und sich dann der Baum als die falsche Sorte herausstellt, denn roden möchte man den schon recht großen Baum nicht und für eine Umveredlung vor Ort fehlt meist das nötige Know-how.
 
Um dem Sortenschwund entgegenzuwirken, die Verfügbarkeit der alten Obstsorten als sortenechtes Edelreisermaterial zu fördern und wieder mehr Obstsortenvielfalt in die Landschaft zu bringen, wurde im Pomologen-Verein im Jahr 2008 die Idee eines Netzwerkes zur Erhaltung der Sortenvielfalt geboren. Nach einer Inititialphase konstituierte sich 2011 das Erhalternetzwerk Obstsortenvielfalt, das sich seitdem regen Zulaufs erfreut. Aktuell besteht das Netzwerk aus 46 Sammlungen, was zeigt, dass das Interesse an alten Obstsorten und deren Erhalt glücklicherweise wieder zunimmt. Machen Sie mit!