Nelkenapfel (Westfalen)

Verfasst von Hans-Joachim Bannier im November 2024. Soweit nicht anders angegeben, liegt das Urheberrecht für alle Sortenfotos beim Autor.
gefährdet
Die genaue Herkunft dieser Sorte ist unklar. Im östlichen Westfalen und im Osnabrücker Land war sie mindestens seit den 1930er Jahren unter dem Namen 'Nelkenapfel' bekannt und von der Obstbaumschule H. Dieckmann in Melle-Wellingholzhausen bis in die 1990er Jahre verbreitet. Schriftliche Zeugnisse über die Sorte sind ansonsten nicht bekannt. Weder ist die Sorte auf alten Empfehlungslisten der Landwirtschaftskammern zu finden, noch findet sich eine Beschreibung in einer der Obstsortenwerke vergangener Zeit. Möglicherweise stammt die Sorte ursprünglich aus Belgien oder Nordfrankreich. Auf einer internationalen Obstausstellung 2006 im hessischen Naumburg stellte die belgische „Boomgarden-Stichting“ Früchte des hier beschriebenen Nelkenapfels unter dem Namen „Oude Wijver“ („Alte Weiber“) aus. Unter Umständen haben deutsche Soldaten im ersten Weltkrieg die Sorte aus Belgien nach Westfalen mitgebracht, so wie auch andere Apfelsorten auf diesem Wege damals nach Deutschland gelangt sind.
Das Verbreitungsgebiet des hier beschriebenen Nelkenapfels mit seinen auffallenden, großen Früchten ist begrenzt auf den Raum Bielefeld / Melle / Osnabrück. Vereinzelt wurden Bäume der Sorte auch noch in Lippe und im Münsterland sowie in anderen Regionen Deutschlands angetroffen. Zu vermuten ist, dass die Sorte in Teilen Belgiens ebenfalls noch im Streuobst anzutreffen ist.
Frucht groß bis sehr groß, hochgebaut kegelförmig, stielbauchig. Im Querschnitt kantig, 3-5 Kanten verlaufen mehr oder minder ausgeprägt über die Frucht, unregelmäßig verteilt und unterschiedlich stark ausgeprägt. Seltener auch 10-kantig. Die Frucht ist mittelfest bis fest, gering druckanfällig. Die Schale ist mattglänzend, bei starker Deckfarbe auch glänzend, baumfrisch schwach bereift, trocken, gelagert teils leicht wachsig, mitteldick, mürbe, beim Verzehr nicht störend. Die Grundfarbe ist düster grün, grasig grün, oliv grün, spät aufhellend, in der Reife trüb oliv gelblich grün, grünlich gelb. Die Deckfarbe ist düster dunkelrot bis bräunlich rot, bei stark gefärbten Früchten flächig, sonst marmoriert, punktiert, teils verwaschen feinstreifig. Grasgrüne Früchte sind ebenso möglich wie fast vollständig rotfarbige Früchte. Schalenpunkte mittelgroß, hell, weißlich oder rosafarben, relativ auffallend. Die Stielgrube ist mittelweit, mitteltief, manchmal mit Fleischwulst, der den Stiel etwas schief drückt; die Seiten mittelsteil, teils unberostet, variabel fein oder gröber graubräunlich strahlig berostet. Der Stiel ist variabel mittellang oder kurz, dünn bis mitteldick, knapp aus der Stielgrube ragend, seltener auch kurz, knopfartig verdickt. Die Kelchgrube ist mittelweit, mitteltief, die Seiten steil oder mittelsteil, oft faltig oder kantig. Kelchumgebung mit fünf Höckern oder Wülsten, dazwischen teils weitere (kleinere) Falten oder Kanten. Kelch mittelgroß (oder groß), meist geschlossen (oder halboffen), Blättchen im Ansatz teils grün, mittellang, teils buschig ineinandergeschlagen. Die Kelchhöhle ist groß, dreieckig, tief; der Stempel dick, wollig, lang; die Staubfäden sehr tiefständig direkt am Stempel verwachsen. Das Kernhaus ist mittelgroß bis groß, die Achse leicht geöffnet. Die Gefäßbündellinie verläuft mittelweit ums Kernhaus, die Kernhauswände sind ohrenförmig, gerissen, die Kerne länglich, variabel in der Größe (7,5 : 3,5 mm bis 9 : 4,5 mm), dunkelbraun, etwas unregelmäßig in der Form. Das Fruchtfleisch ist grünlich gelblich weiß, fest, etwas grobzellig, mäßig saftig, süßsäuerlich, nur schwach aromatisch, deutlich verbräunend.
Der Baum des Nelkenapfel ist starkwüchsig, mit schräg winkelnden Seitenästen. Er bildet eine große bis sehr große, mitteldicht verzweigte, pyramidale oder hochkugelige Krone. Die Sorte ist sehr robust gegen Krankheiten und Schädlinge, bekommt weder Obstbaumkrebs noch Mehltau, ist sehr tolerant auch gegenüber Schorf (lokal ist ein geringer Befall möglich, der die Vitalität des Baumes jedoch nicht mindert). Auch die Apfeltriebsucht-Virose scheint den Baum überhaupt nicht zu beeinträchtigen. Der Nelkenapfel ist daher breit anbaufähig für alle Standorte bzw. auf allen Böden. Über seine Eignung für Höhenlagen ist nichts bekannt, sie kann allerdings aufgrund der hohen Vitalität der Sorte vermutet werden. Der Baum kommt trotz seiner Starkwüchsigkeit in der Jugend früh in den Ertrag und trägt reich und regelmäßig. Die Früchte sind trotz ihrer imposanten Größe kaum anfällig für Stippe. Die Blüte im Frühjahr zeitigt mittelspät. Das Laub ist groß, oval und von dunklem Grün.
Mit ihrer Fruchtgröße und ihrer auffallenden Form und Färbung ist der Nelkenapfel (Westfalen) kaum verwechselbar. Als Verwechsler kommen evtl. infrage Cornwalliser Nelkenapfel, Extertaler Katzenkopf oder die Sorte 'Hilde'.
Alles in allem ist der Nelkenapfel eine robuste und reichtragende Apfelsorte für den Streuobstanbau, die vor allem als Wirtschafts- und Mostapfel genutzt werden kann. Seine sehr großen und gesunden Früchte ermöglichen eine schnelle Obstlese.

Nelkenapfel (Westfalen) Foto Hans-J. Bannier

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